02.10. - 13.10.2012 Bukhara & Samarkand 

Auf den Spuren von 1001 Nacht

 

Beim Erreichen der usbekischen Grenze waren wir sehr gespannt, was wohl hier wieder für eine bürokratische Prozedur auf uns wartet. Es ging aber überraschenderweise alles recht schnell: Zollerklärung ausfüllen, Fiebermessen (keine Ahnung warum oder was passiert wäre, hätten wir Fieber gehabt) und stichprobenartige Überprüfung unseres Tascheninhalts. Natürlich hat der Beamte meine Medikamententasche geöffnet und ganz verwirrt auf meine Unmengen an Tabletten geblickt. Als ihm dann Olli zur allgemeinen Erheiterung sehr bildhaft den Verwendungszweck unserer Durchfallmittel dargestellt hat, war er zufrieden und hat uns einreisen lassen. Leider hat uns das Militär auf Anfrage verboten, unser traditionelles Grenzfoto zu schießen, wir haben es aber trotzdem riskiert.

Beim Überqueren der Grenze wartete dann eine Überraschung auf uns. Wir konnten unseren Augen kaum trauen, als wir zwei andere verrückte Radler erblickten: Jan und Marius aus Bielefeld, unterwegs zum Freiwilligendienst in einem kirgisischen Kinderheim. Wir haben uns sofort gewundert über ihr spärliches Gepäck, bis sie uns erklärt haben, dass ihnen ein Großteil ihrer Ausrüstung im Iran gestohlen wurde. Wir sind schließlich gemeinsam aufgebrochen, um zu viert Usbekistan unsicher zu machen, noch nicht ahnend, dass wir für die nächsten 12 Tage zusammen radeln würden. Wir haben uns sofort super mit den beiden verstanden.

(Hier kann man die lustigen Berichte der beiden über unsere gemeinsame Zeit nachlesen und weitere Bilder bestaunen.)

Eine sehr schwierige Aufgabe bestand nun fortan täglich darin, vegetarisches Essen aufzutreiben, da wir alle 4 Vegetarier sind, was aber in Usbekistan gar nicht so einfach ist, da das Hauptnahrungsmittel „gusht“ (Fleisch) ist und ganz wichtig für die Gesundheit wegen „vitamina“. Gerade auf dem Land ist es sehr schwierig, Käse zu bekommen, außer kleine geräucherte Käsestangen und salzig-saure steinharte Käsebällchen. Mit Milch, Haferflocken und Konserven schaut es in den kleinen Läden auch ganz schlecht aus, weshalb unsere Mahlzeiten fortan hauptsächlich aus Weißbrot, das frisch sehr lecker schmeckt, Nudeln und Keksen bestanden, ab und zu mit frischem Gemüse und Eiern verfeinert. Nach einer Weile hängt einem aber das Weißbrot ganz schön zum Hals raus und Jan war sich sicher, dass er bald an Weißbrotvergiftung sterben würde, wenn er nicht bald Schokomüsli fände. Einziger Lichtblick sind die leckeren Granatäpfel, die einem überall angeboten werden.

Für Kaffeetrinker schaut es in diesem Land auch ganz finster aus. Der Kaffee schmeckt nach allem möglichen, nur nicht nach Kaffee, und besteht zur Hälfte aus Zucker. Absolutes Highlight ist, wenn man in einem Laden teuren Instant-Nescafe ergattert.

Die Straßen in Usbekistan sind durchweg schlecht, bis auf wenige frisch geteerte Stellen, und wir waren sehr froh über unsere breiten Reifen. Man teilt sich die Fahrbahn mit knarzenden Eselwägen, voll beladenen Baumwolltraktoren und mit alten, klapprigen Lada und Shiguli, deren Dächer oft mit ganzen Wohnungseinrichtungen oder der Ernte beladen sind, außerdem die ganze Familie mit im Auto und dann wird mit Vollgas durch die üblen Schlaglöcher gebrettert. Wir haben uns immer wieder gewundert, wie diese alten russischen Mühlen das wohl aushalten. An dieser Stelle mal ein kleines Rätsel: Wie viele Usbeken passen in einen Lada (Kofferraum nicht mitgerechnet)? Tipp: Die gesuchte Zahl ist zweistellig.

Das Oktoberwetter in Usbekistan ist tagsüber sehr angenehm sonnig mit Temperaturen von 20 bis 30°C. Sobald die Sonne untergeht, wird es aber ganz schön frisch mit unter 10°C. Das Klima war äußerst trocken, aber manchmal wurden wir von nervigem Gegenwind geplagt. Die Bäume sind zu dieser Jahreszeit schon richtig schön herbstlich gefärbt und überall läuft die Baumwollernte auf Hochtouren.

Zu den Usbeken hatten wir in den Dörfern nur wenig Kontakt, außer beim Einkaufen. Bei Pausen oder beim Zeltaufbau abends haben aber doch hin und wieder ein paar Neugierige versucht, mit uns Kontakt aufzunehmen, aber leider können die allermeisten nur Russisch und Usbekisch. Eine sehr nette Begegnung hatten wir mit dem Militär, als ein paar Soldaten mit ihrem Laster neben uns gehalten haben, um uns eine Tüte voller Äpfel und Trauben zu schenken. Auch die Polizei hat sich auf Anfrage bereitwillig fotografieren lassen. Allerdings kamen wir bei einer Pause neben einem Straßenkontrollposten zum ersten mal in die Situation, dass unsere Pässe, Visa und Registrierungen geprüft wurden und wir mussten dem argwöhnischen Beamten in Zivil genaue Auskunft geben über unsere Aufenthaltsorte seit Einreise – ein erster Vorgeschmack auf den Überwachungsstaat.

Bei unserer Fahrt entlang der Seidenstraße kamen wir in den Genuss, alte Seidenstraßenstädte wie Bukhara und Samarkand zu erleben. Gerade in Bukhara fühlt man sich in der Altstadt wie in ein Märchen aus 1001 Nacht versetzt und man wartet regelrecht darauf, dass jeden Moment ein fliegender Teppich um die Ecke geschossen kommt. Für uns war das kleine, gemütliche und ruhige Bukhara mit seiner angenehmen Atmosphäre und den nur wenigen Touristen mit Abstand die schönste Stadt Usbekistans.

Die Altstadt von Samarkand, das um einiges größer ist als Bukhara, ist ebenfalls ganz nett und sehenswert, aber bei weitem nicht so angenehm und gemütlich wie das kleinere Städtchen. Hier trifft man auf diverse deutsche und auch französische Reisegruppen überall.

Sucht man nach schnellem Internet, ist man in Usbekistan völlig fehl am Platz und Wifi haben wir nur in teuren Hotels und am Flughafen von Tashkent gefunden. In den zahlreichen kleinen Internetcafes in den Städten muss man zudem zum arschlangsamen Internet noch Horden von Kindern um sich rum ertragen, die morgens bis abends lauthals schreiend Warcraft und diverse Shooter zocken.

Fast ausgeflippt wäre Olli, als nur wenige Tage nach Verlassen der Wüste feststand, dass er erneut einen Felgenbruch am Hinterreifen hat. Das war nun der dritte in einem halben Jahr: zwei bei Olli und einer bei mir. Nach langem Überlegen und Diskutieren, ob wir damit noch 700 km weiter radeln oder den Zug nehmen sollen, haben wir uns fürs Radeln entschieden und die Felge hat tatsächlich noch so weit durchgehalten. Einziges Problem: Olli konnte hinten nicht mehr bremsen.

Heil in Tashkent angekommen nach fast zwei sehr lustigen Wochen zu viert, mussten wir uns nun leider von den beiden sympathischen Jungs trennen, da sie weiter nach Kirgistan mussten und wir uns um Visa für Indien und einen Flug dorthin kümmern mussten. Den ursprünglichen Plan, bis ganz nach Indien zu radeln, mussten wir leider aufgeben, da es mittlerweile Mitte Oktober war und einige sehr hohe Pässe, die bald wegen Schnee gesperrt werden würden, im Weg liegen.

 

 

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